Tränen im Paradies

Wir stehen nun schon seit einer Woche bei Jörg und seiner Hundeschar und obwohl wir eine tolle Zeit zusammen verbringen, haben wir schon wieder Hummeln im Hintern 😉

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Wir wollen weiter! Die nächste Station ist Tecolote, ein herrlicher Strandabschnitt nördlich von La Paz:

(Die "Höhe über Meeresspiegel" kann ausgeblendet werden, indem man auf den gleichnamigen Schriftzug mit dem blauen Hintergrund klickt)

Aber so schnell soll´s dann doch nicht gehen ... Da wir erst am Nachmittag losfahren und wir unsere Vorräte noch auffüllen müssen (an der Playa Tecolote gibt es keine Einkaufsmöglichkeiten), werden wir noch eine Zwischenübernachtung in La Paz einlegen. Und da taucht auch schon das nächste Problem auf ...

Wo wollen wir über Nacht stehen bleiben? Der Stellplatz, wo sie uns das Motorrad geklaut haben, ist eigentlich ideal, aber das Ganze hat irgendwie einen bitteren Beigeschmack. Wir fahren trotzdem hin, machen uns bettfertig und gehen schlafen. Naja, wirklich schlafen können wir beide nicht, also stehen wir nach einer Stunde wieder auf und beschließen einstimmig, dass wir hier nicht übernachten können. Es tut noch zu sehr weh ...

Nur wohin sollen wir fahren? Nach kurzer Überlegung entscheiden wir uns für den Malecón, die Straße, die entlang der Strandpromenade verläuft. Hier ist es zwar so laut wie auf einer Autobahn, aber der bittere Beigeschmack ist weg. Also beißen wir in den sauren Apfel und übernachten heute an der Hauptstraße:

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Am nächsten Morgen machen wir uns direkt auf den Weg zum Supermarkt. Vorher wollen wir aber noch schnell unsere Emails abrufen. Hmmm ... Wo ist die nächste Möglichkeit, online zu gehen? Es ist wie verhext! Wir haben immer noch das Passwort von Arjona, dem Laden, vor dem wir saßen, als unser Motorrad geklaut wurde. Mit gemischten Gefühlen fahren wir dorthin, weil es einfach der kürzeste Weg ist und wir keine Zeit verlieren wollen:

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Und um auch richtig schön Salz auf die Wunde zu streuen,  schaue ich mir den "Tatort" noch einmal ganz bewusst an:

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Nachdem wir nun unsere Wunden geleckt haben, ist es Zeit, einen Schlussstrich unter dieses Kapitel zu ziehen.  Unser Motorrad ist weg und wird auch nicht mehr zurückkommen. Punkt. Wollen wir uns dadurch die Reise verderben lassen? Nein! Wenn wir wieder in den USA sind, kaufen wir uns ein neues Mopped und ein gaaaaanz dickes Schloss 😉 Hier in Mexiko wollen wir keins kaufen, weil wir ein ungutes Gefühl dabei haben. Was ist, wenn die Papiere gefälscht sind und wir dann mit einem geklauten Motorrad durch die Gegend fahren? Nein, das Risiko wollen wir nicht eingehen. Dann müssen wir halt alle Fahrten mit unserem Fred machen, bis wir wieder auf zwei Rädern mobil sind.

Am Supermarkt angekommen, staunen wir nicht schlecht, als wir diesen seltsamen roten Bus sehen:

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Ich habe so etwas noch nie gesehen und gehe neugierig auf Erkundungstour. Wie geil! Ein rollendes Hotel aus Deutschland!!!

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Der Bus ist genauso groß wie unser Wohnmobil, nur mit dem Unterschied, dass in dem rollenden Hotel etwa 30 Personen über mehrere Wochen zusammen leben (und auch darin übernachten). Da bevorzugen wir dann doch eher unsere Art des Reisens 😉

Nachdem unser Kühlschrank und der Wassertank aufgefüllt sind, fahren wir nun entlang einer wunderschönen Küstenstraße Richtung Tecolote:

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Als wir in Tecolote ankommen, freuen wir uns narrisch, denn wir sehen schon von weitem das große weiße Mercedes-Expeditionswohnmobil mit der Weltkarte auf der Seite – Ilka & Günther  sind auch hier!  Wir stellen uns direkt neben Ihr Womo und feiern erstmal ausgiebig unser Wiedersehen.  Wie schön das Leben doch sein kann 🙂 Wir sind ganz begeistert von diesem Stellplatz, da wir mit dem Wohnmobil fast bis zum Wasser fahren können. Was für ein schönes Fleckchen Erde!

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Natürlich holen wir sofort die Stühle raus und machen es uns vor unseren Womos gemütlich. Es gibt ja schließlich viel zu erzählen und der bevorstehende Sonnenuntergang schaut auch sehr vielversprechend aus:

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Wir quatschen noch bis tief in die Nacht hinein und als ich am nächsten Morgen aufwache und aus dem Fenster schaue, kommen mir bei dem Anblick fast die Tränen. Daran könnte ich mich glatt gewöhnen:

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In den nächsten Tagen machen wir einfach nur das, wozu wir gerade Lust haben: Lesen, Faulenzen, Sonnenbaden, Quatschen, Lachen, Sport ... und genießen einfach nur das Leben:

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Zwischendurch treffen wir auch andere Reisende, die teilweise mit sehr originellen Gefährten unterwegs sind. Eins davon ist dieser (originale!) VW Campingbus von 1964:

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Um sich die phantastischen Sonnenuntergänge anzuschauen, kommen auch die Einheimischen gerne mal rüber:

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Es ist zum Heulen schön hier und die Natur überrascht uns immer wieder mit neuen Farbspielen:

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Ich weiß gar nicht, was ich schöner finde - die Nächte oder die Tage ...

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Wie auch immer - die Zeit vergeht wie im Flug und der Abschied rückt immer näher. Ilka und Günther möchten mit der Fähre aufs mexikanische Festland übersetzen, um von dort aus ihre Reise Richtung Südamerika fortzusetzen, während wir noch den Rest der Baja California vor uns haben. Spätestens hier werden sich also unsere Wege (für immer?) trennen ...

Je näher der Abschied rückt, desto trauriger werde ich. Weil ich die letzten gemeinsamen Stunden aber noch genießen möchte, versuche ich, alle traurigen Gedanken zu verdrängen, was mir zum Glück ganz gut gelingt:

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Ich verstehe überhaupt nicht, was mit mir los ist. Ich habe in meinem Leben sehr viele nette Menschen  getroffen, wir gingen ein Stück des Weges gemeinsam und irgendwann trennten sich dann unsere Wege. Aber selten ist mir ein Abschied so schwer gefallen, wie der von Ilka und Günther. Und ich frage mich, warum das so ist. Woher kommt diese innige Verbundenheit?

Als wir uns Anfang des Jahres an diesem wunderschönen Strand an der Bahia Concepcion zum ersten Mal getroffen haben, ist der Funke sofort übergesprungen. Viele Menschen haben Träume, die sie - aus welchen Gründen auch immer - niemals verwirklichen. Sie sterben irgendwann mit der traurigen Gewissheit, dass irgendwann auch ein Traum zu lange her ist... Nicht so bei Ilka und Günther! Ihr Traum war es immer, die Welt zu bereisen und sie haben alles dafür getan, damit sie ihren Traum leben können. Da sind wir einfach auf einer Wellenlänge 🙂

Unsere Wege haben sich seit dem ersten Treffen immer wieder getrennt, aber zum Glück hatten wir für die nächsten Wochen dieselbe Reiseroute, so dass wir nach jedem Abschied wussten, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass wir uns irgendwo an einem schönen Stellplatz wiedersehen werden. Und so war es dann auch. Jedes Mal war die Freude groß, als wir die Beiden mit ihrem 917er-Truck wieder getroffen haben. Und jedes Mal gab es dann viel zu erzählen, meistens saßen wir dabei stundenlang bei einem schönen Lagerfeuer zusammen ...

Leider können wir die Zeit nicht anhalten, und so kommt der unvermeidbare Moment des Abschieds immer näher. Ein letztes Mal in den Arm nehmen, ganz fest drücken und den Moment genießen ...

Als die beiden fahren, mache ich noch ein letztes Foto, bevor sie am Horizont verschwinden:

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Ich bleibe tapfer und winke, bis ich das  Womo nicht mehr sehen kann. Und dann muss ich doch weinen, weil mir klar wird, dass sich unsere Wege hier definitiv getrennt haben.

Zur Ablenkung gehen wir ein bisschen am Strand spazieren. Es ist Sonntag und daher nicht so leer wie sonst. Als wir zurückkommen, sehen wir, dass direkt neben unserem Wohnmobil ein Einheimischer mit seinem Auto steht. Er hat das Radio bis zum Anschlag aufgedreht, so dass die völlig überforderten Boxen nur noch ein Krächzen von sich geben. Das tut schon fast in den Ohren weh! Tom beschließt kurzerhand, zu ihm rüber zu gehen und ihn freundlich zu bitten, die Musik etwas leiser zu drehen:

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"Thomas!", ruft der junge Mann ganz überrascht, als er sich umdreht.  Ich merke, wie Tom versucht, ihn zuzuordnen. Mir kommt er auch bekannt vor, aber ich kann mich einfach nicht erinnern, wo ich diesen Mann schon mal gesehen habe. Er spricht uns mit einer Mischung aus Spanisch und gebrochenem Englisch an und als das Wort "motocicleta" (span. für "Motorrad") fällt und er uns Bilder von unserer Honda auf seinem Handy zeigt, fällt es uns wie Schuppen von den Augen! Der junge Mann ist Jason, der Polizeibeamte, der unsere Anzeige aufgenommen hatte! Wie klein die Welt doch ist! 🙂

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Wir wollen natürlich sofort wissen, ob die Ermittlungen etwas Neues ergeben haben. Leider Fehlanzeige.  Naja, fragen kann man ja mal...

Nach dem Sonnenuntergang sitzen wir am Strand und beobachten das Meer. Tom sagt auch, dass der Abschied von Ilka und Günther diesmal "anders" ist, auch er ist traurig... Ich versuche mir klar zu machen, dass es doch viel schöner ist, dankbar zu sein für die Zeit, die wir gemeinsam hatten als traurig darüber sein, dass sie nun vorbei ist. Ohne Abschiede gäbe es auch keine Neuanfänge, so ist nun mal das Leben…

Und dann, kurz vor 22:00 Uhr ruft er: "Da sind sie!" Ich zucke zusammen und bin auf einmal ganz aufgeregt... Bis ich merke, dass er die Fähre meint. Sie scheint pünktlich losgefahren zu sein und wir beobachten, wie sie majestätisch an uns vorbeizieht. Ich rühre mich nicht vom Fleck, bis das letzte Licht der Fähre am Horizont verschwunden ist ...

Danke Universum, dass ich diese tollen Menschen kennen lernen durfte. Danke Ilka und Günther, dass Ihr unser Leben so bereichert habt!

Wir bleiben noch ein paar Tage länger am Strand - bis unser Wassertank komplett leer ist.  Bei schönstem Wetter genießen wir das Nichtstun und lassen es uns einfach gut gehen:

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Tom hat wie immer einen enormen Bewegungsdrang und will sich mal die Berge um uns herum näher anschauen. Heute will er den Ausblick von diesem Gipfel erkunden:

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Der Auftieg ist anstrengend, aber die Aussicht von da oben ist atemberaubend schön:

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Nach einer Woche an diesem wunderschönen Strand wird es wieder Zeit, unsere Vorräte aufzufüllen. Wir freuen uns schon darauf, jetzt den Rest der Baja zu erkunden.

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Auf dem Rückweg werden wir jedoch sicher noch mal ein paar Tage hier verbringen ...

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>>> So hat alles angefangen: 1 bis 2 Jahre Nordamerika – die Idee

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6 thoughts on “Tränen im Paradies”

  1. Super schön und emotional geschrieben. Es macht wirklich Freude, eure Berichte zu lesen. Und ihr habt in meinen Augen die richtige Einstellung... solange es nicht an Leib und Leben geht, sind Verluste irgendwo verkraftbar. Macht das Beste draus (macht ihr eh 😉 ).
    Freue mich, wieder von euch zu lesen (bekomme immer über fb mit, wenn es etwas Neues hier gibt).

    1. Liebe Lisa,
      vielen Dank für Deinen Kommentar. Es ist immer wieder schön zu sehen, dass wir andere Menschen mit unserer Reise inspirieren können. So macht das Schreiben gleich noch mal so viel Spaß 🙂 Warst Du denn schon mal auf der Baja California? Wir sind so begeistert, dass wir nächsten Winter nochmal dort hinfahren wollen.

      Viele liebe Grüße
      Enida & Tom

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  2. Hallo ihr beide,

    ich lese mit großer Begeisterung eure Berichte. Ich hatte auch solche Träume - aber die Sicherheit gewann!! Jetzt bin ich 75 und träume IN euren Berichten - so ist das Leben: selber schuld!!
    Reiner

    1. Hallo lieber Reiner,
      vielen Dank für Deine Nachricht. Es freut mich sehr, wenn wir Dich mit unseren Berichten ein bisschen mitnehmen können...
      Das was Du bezüglich der Sicherheit geschrieben hast, kenne ich sehr gut. Auch bei uns sind einige Träume geplatzt, weil wir sie zu lange vor uns hergeschoben haben. Mir ist auch klar, dass wir diese Reise nie gemacht hätten, wenn wir es zu dem Zeitpunkt nicht durchgezogen hätten. Diese kleine Stimme im Kopf, die einem immer klar machen will, was alles Schlimmes passieren könnte... Es hat lange gedauert, bis ich kapiert habe, dass "Leben mit der Angst" nichts anderes ist als "Leben in der Zukunft". Ich projiziere Erfahrungen aus der Vergangenheit auf mögliche Ereignisse in der Zukunft. Das Leben findet jedoch weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft statt. Wir leben im Hier und Jetzt. Um das zu können, musste ich viele Ängste überwinden und Glaubenssätze loslassen. Aber es hat sich gelohnt! Ich glaube auch, dass man niemals aufhören sollte zu träumen. Es gibt viele schöne Dinge (darunter auch Reisen), die man auch mit 75 machen kann. Ich hoffe, dass es Dir gesundheitlich so gut geht, dass Du Dir immer noch den einen oder anderen Traum erfüllen kannst. Ich wünsche es Dir von ganzem Herzen!
      Viele Grüße
      Enida

  3. Hallo Ihr Beiden,
    das mit Eurem Motorrad tut mir leid! Mit dem Rollenden Hotel - Höltl aus Passau bin ich Anfang der Achtziger mal durch damals noch Jugoslawien gefahren. Georg Höltl hat ein Patent auf den Bus.

    1. Hallo liebe Renate,
      danke für Deinen Kommentar. Ja, das mit dem Motorrad ist echt doof, aber an der Situation ändert sich nichts, egal ob wir uns jeden Tag darüber ärgern oder unsere Reise weiter genießen. Also wählen wir doch lieber das zweite und haken es als Lehrgeld ab 😉
      In Jugoslawien hätten wir uns ja quasi treffen können, Anfang der 80er habe ich noch dort gelebt 😉
      Viele Grüße
      Enida

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