Der schmerzhafte Skorpionstich

„Was ist Euer nächstes Ziel?“, werden wir von Einheimischen gefragt, während wir unser Wohnmobil abfahrbereit machen.

„La Ventana“, antworten wir beide fast zeitgleich. Uns hat schon wieder das Reisefieber gepackt und wir können es kaum erwarten, die nächsten Traumstrände zu erkunden.

„Wenn Ihr weiter Richtung Norden fahrt, müsst Ihr unbedingt einen Abstecher nach „El Triunfo“ machen!“

„Wohin?“

El Triunfo, eine kleine, alte Minenstadt mit ganz besonderem Charme. Unbedingt sehenswert!“

Da El Triunfo fast dem Weg liegt, nehmen wir den kleinen Umweg gerne in Kauf:

2015-11-23_1757

Der kleine Abstecher hat sich wirklich gelohnt!

IMG_7352

Wir überlegen schon fast, ob wir hier übernachten sollen. Der Platz direkt neben der alten Kirche bietet sich als Nachtlager förmlich an:

IMG_7366

Nach einem kurzen Stadtbummel durch das malerische Örtchen ...

­
... und dem Besuch der alten Silbermine ...

­
... beschließen wir dennoch, weiter zu fahren. Irgendwie übernachten wir lieber am Strand als auf einem Kirchenparkplatz 😉

Bevor er sich aber am Strand erholen darf, muss unser Fred seine 300 Diesel-PS erstmal richtig arbeiten lassen - es geht ziemlich steil bergauf:

IMG_7369

In La Ventana angekommen, wollen wir als erstes unsere Trinkwasserbehälter auffüllen. Unsere normalen Wassertanks haben wir zwar schon auf dem Campingplatz in Los Barriles aufgefüllt, aber zum Trinken bevorzugen wir speziell gefiltertes Wasser (auch wenn uns mehrfach versichert wurde, dass man das Wasser vom Campingplatz bedenkenlos trinken könnte). Als wir uns vor Ort erkundigen, wo wir hier Trinkwasser kaufen können, werden wir etwas ungläubig angeschaut. „Warum kaufen?“, werden wir gefragt. „Füllt Eure Behälter doch einfach an der öffentlichen Füllstation auf, so wie es alle machen.“

Wir sind zunächst etwas skeptisch. Qualitativ gutes Trinkwasser haben wir in Mexiko an ausgewiesenen Filter-Stationen schon immer sehr günstig bekommen. Aber komplett kostenlos? Hm…

Der riesige blaue Container steht neben der Hauptstraße, so dass wir uns mit dem Wohnmobil direkt dahinter stellen können.

IMG_7377

IMG_7374

Bewaffnet mit unserem mobilen Wassertester, wollen wir die Trinkwassertauglichkeit prüfen, bevor wir unsere Behälter auffüllen. Und siehe da – es handelt sich tatsächlich um sehr gute Wasserqualität, so dass wir uns direkt an die Arbeit machen:

IMG_7371

Nachdem nun alle Wassertanks und –behälter (und unser Kühlschrank) voll und wir somit für mindestens eine Woche unabhängig sind, machen wir uns auf die Suche nach einem schönen Strandplatz. Auch hier folgen wir einem Geheimtipp von Ilka und Günther, auch wenn sie uns gewarnt haben, dass es mit unserem Schlachtschiff schwierig werden könnte, dorthin zu gelangen. Wir wollen uns die Stelle zumindest mal anschauen.

Einmal mehr tauschen wir Asphalt- gegen Schotterpiste:

IMG_7576

Aber es kommt noch abenteuerlicher! Es reicht ja nicht, dass wir im Schneckentempo durchrumpeln. Nein! Wir bekommen obendrauf noch ein paar enge Kurven inklusive Sandpiste geboten, während es ziemlich steil bergab geht.

Aaaaah! Nicht schon wieder!!! Ich merke, wie bei dem Anblick mein Puls beschleunigt und steige freiwillig aus. Wie mir bereits durch die Blume zugetragen wurde, bin ich in solchen Situationen nicht gerade der beste Beifahrer… Na gut, dann mache ich eben ein paar Bilder davon, wie Tom sich im Sand festfährt 😉

­
Natürlich steigt Tom auch aus und läuft die Strecke ab, bevor er den „Point of no return“ erreicht hat. Er prüft den Winkel, die Trittfestigkeit, die Ausweichmöglichkeiten und was weiß ich nicht alles. Noch während ich mich frage, ob er sich wohl vor Sonnenuntergang noch entscheiden wird, nickt er zustimmend und geht zurück zum Womo. Ok, er will es also wagen… Herrje, wenn ich schon so nervös bin, wie muss es ihm wohl hinter dem Steuer gehen… Naja, er wird schon wissen was er tut. Fred und Tom sind mittlerweile ein sehr gut eingespieltes Team.

­
Das Schlimmste haben wir (ähm… hat Tom) geschafft! Hinter der letzten Kurve dann dieser Ausblick! Wow!

IMG_7591

Nun haben wir die Qual der Wahl – welchen Schirm nehmen wir?

Wobei… ist eigentlich auch egal:

­
So, jetzt haben wir uns erstmal einen kleinen Snack verdient: frische Mango mit Meerblick. Herrlich!

IMG_7396

Was macht man an einem so einsamen Stränden ohne Internet? Richtig – nach dem Meditieren…

IMG_7401

… mit dem Sonnenuntergang ins Bett gehen…

IMG_7404

… um am nächsten Morgen einen atemberaubenden SonnenAUFGANG zu erleben:

­
Es ist einfach nur herrlich hier und wir genießen die Zeit in vollen Zügen. Es gibt ja auch viel zu tun. Wenn wir nicht gerade im Wasser sind oder Feuerholz sammeln, verbringen wir die Tage mit Lesen, Sport, Arbeiten… und natürlich auch Faulenzen.

­
Tom mag übrigens die Vorstellung von der Meerjungfrau, die ihm ins Netz gegangen ist:

­
Eines Morgens werden wir jedoch ziemlich unsanft aus dem Schlaf gerissen. Jemand klopft von außen gegen unser Wohnmobil. Ganz vorsichtig schauen wir durchs Fenster, sind kurz etwas verwirrt, schauen noch mal raus und sind uns dann nach einem kurzen Kopfnicken einig - die Goldmanns haben uns gefunden! Wahnsinn! Die Welt ist doch ein Dorf!

Markus ist einer von Toms Podcast-Hörern und ist über den Podcast auf unseren Reiseblog aufmerksam geworden. Er ist ebenfalls digitaler Nomade und mit seiner Familie auf dem Weg nach Costa Rica, um dort nach einem schönen Häuschen Ausschau zu halten. Da wir zufällig zur selben Zeit die Baja California bereisen, hatte er vorgeschlagen, dass wir uns irgendwo auf der Strecke mal treffen. Es ist jedoch nicht einfach, sich mit uns zu verabreden, da wir nie mit Sicherheit sagen können, wann wir wo sind – wir haben ja schon lange aufgehört zu planen... Umso mehr freuen wir uns jetzt darüber, dass die Goldmanns uns hier gefunden haben. Sie haben zuerst alle Campingplätze in der Nähe abgeklappert und nach uns gesucht, jedoch ohne Erfolg. Durch einen Zufall haben sie dann erfahren, dass jemand ein Wohnmobil mit zwei roten Kajaks auf dem Dach etwas außerhalb der Ortschaft gesehen hat. Sie sind dann „auf gut Glück“ rausgefahren und haben uns tatsächlich hier gefunden!

Goldmanns

Wir sind uns auf Anhieb sympathisch und merken sehr schnell, dass wir auf einer Wellenlänge sind und viele Gemeinsamkeiten haben. Spontan verbringen wir den ganzen Tag zusammen, sitzen am Strand, reden, lachen, essen, schnorcheln… und genießen einfach die gemeinsame Zeit.

IMG_7514

Der einzige Wermutstropfen ist, dass am Wochenende auch die Einheimischen zum Strand rausfahren und feiern. Mittlerweile können wir aber über die permanent übersteuerte und verzerrte Musik schmunzeln. Man gewöhnt sich an alles. Ein paar Monate vorher hatten wir aus demselben Grund noch Mordpläne geschmiedet.

Als es langsam dunkel wird, wird der Strand wieder leerer. Unsere feiernden Nachbarn wollen sich noch besonders cool mit aufheulendem Motor verabschieden … und fahren sich natürlich fest.

IMG_7519

Auch das ist mittlerweile ein gewohntes Bild für uns.

Wir machen es uns bei einem Lagerfeuer gemütlich, genießen die herrliche Abendstimmung mit unseren neuen Freunden:

­
Wir bekommen sogar noch weitere nette Gesellschaft dazu: Ana aus Argentinien und Paul aus der Schweiz. Wir haben die beiden Weltenbummler das erste Mal gesehen, als wir auf dem Campingplatz in Los Barriles waren. Einmal mehr stellen wir fest, dass man sich auf der Baja immer wieder über den Weg läuft. 🙂

Wir haben viel Spaß zusammen, denn jeder hat spannende, lustige oder kuriose Geschichten zu erzählen. Doch plötzlich wird unsere ausgelassene Stimmung durch einen schmerzvollen Schrei unterbrochen. Wir schauen verwirrt um uns herum und wissen zuerst gar nicht, was passiert ist. Dann realisieren wir, dass der Schrei von Carolina, Markus´ Frau, kam.

„Ich wurde von einem Skorpion gestochen!“, ruft sie mit schmerzverzerrter Miene, während sie mit beiden Händen ihren linken Oberschenkel festhält.

Jetzt geht alles ganz schnell.

Markus ist sofort bei ihr und fängt an, das Gift aus ihrem Bein zu saugen. Tom ist zeitgleich ins Wohnmobil gesprungen, um den Schlangenbiss-Extraktor (First Aid Extractor Pump Kit) aus unserem Erste-Hilfe-Koffer zu holen.

Als er wieder rauskommt und sieht, dass Markus versucht, das Gift auszusaugen, wird er sehr deutlich:

„Aufhören! SOFORT!“, brüllt er in seine Richtung.

Markus schaut ihn etwas verwirrt an und auch der Rest von uns ist plötzlich mucksmäuschenstill. Es ist gerade keine Zeit zum Erklären, aber da Tom Rettungssanitäter ist und zudem Erfahrung im Umgang mit Schlangen- und Skorpionbissen hat, wissen wir, dass die Patientin bei ihm in guten Händen ist.

Routiniert fängt er an, das Gift mit der Vakuumpumpe auszusaugen, während er Carolina nach typischen Vergiftungszeichen untersucht.

IMG_7534

Als sich alle etwas beruhigt haben und die Situation nicht mehr als kritisch einzustufen war, erklärt Tom auch, warum er Markus so unsanft von seinem Vorhaben abgebracht hat:

Man darf auf KEINEN Fall versuchen, das Gift mit dem Mund auszusaugen! Die Schleimhäute im Mund würden das Gift sofort in die Blutbahn gelangen lassen, wodurch sich der Helfer ebenfalls vergiftet und wir einen Patienten mehr gehabt hätten.

Noch mehr Informationen zu dem Thema "Verhalten bei Schlangenbissen & Co." gibt es in einem unserer vorherigen Beiträge. Wer mag, kann es hier noch mal nachlesen: Umzingelt von Vogelspinnen und Klapperschlangen

In diesem Fall hatten wir Glück, da das Gift nicht so stark war. Es hätte aber auch anders ausgehen können. So sind alle (inklusive dem kleinen Beißer) mit einem Schrecken davon gekommen.

Wir konnten den Skorpion übrigens als den Arizona-Rindenskorpion identifizieren:

IMG_7559

Wie sich das alles aus Sicht der Goldmanns zugetragen hat, könnt Ihr auf deren Reiseblog nachlesen. Hier der Link zu dem Artikel:   http://www.usarundreise24.com/skorpion-stich/

Und was haben wir daraus gelernt? Nachts am Strand nicht auf dem Sand, sondern immer schön auf einem Stuhl sitzen 😉

IMG_7546

Wir verbringen noch ein paar schöne Tage mit den Goldmanns und als sie sich verabschieden, planen wir auch gleich das nächste Wiedersehen in ein paar Tagen in La Paz. Wir bleiben noch ein bisschen in La Ventana, weil wir unseren 13. Hochzeitstag hier verbringen möchten.

­
Zum Abschied noch einmal das typische Bild des Autofahrers, der sich im Sand festgefahren hat:

­
Und mit diesem herrlichen Vollmond endet unsere wunderschöne Zeit in La Ventana:

IMG_7676

Hier noch mal der Mitschnitt unserer Fahrstrecke von Los Barriles über El Triunfo nach La Ventana:

(Die "Höhe über Meeresspiegel" kann ausgeblendet werden, indem man auf den gleichnamigen Schriftzug mit dem blauen Hintergrund klickt)

Warum wir von unserem nächsten - eigentlich sehr schönen - Stellplatz mitten in der Nacht flüchten müssen, erzählen wir in unserem nächsten Beitrag.


>>> So hat alles angefangen: 1 bis 2 Jahre Nordamerika – die Idee

Hier geht es zum vorherigen Beitrag: Die Webcam auf´m Klo

Hier geht es zum nächsten Beitrag: Aus dem Schlaf gerissen - wir müssen fliehen!

Möchtest Du wissen, wie es weitergeht? Trage hier Deine E-Mail Adresse ein, damit Du als Erster erfährst, wenn ein neuer Beitrag veröffentlicht wurde (und erhalte ein kleines Geschenk von uns):

Leave a Reply

Your email address will not be published.