Auch wenn es schon dunkel ist, so schaffen wir es, trotz immer stärker werdendem Wind, noch am Abend vor Enidas Geburtstag zum Big Bend Nationalpark (kurz: NP). Der Big Bend macht seinem Namen alle Ehre, denn er ist einer der größten NP´s der USA. Seine Ausdehnung beträgt in West-Ost-Richtung ca. 80km und Nord-Süd ca. 75km. Die Fahrt vom westlichsten Punkt in der Nähe von Lajitas bis zum ostwärtigsten „Ort“, dem Rio Grande Village beträgt ca. 90km und man benötigt für diese wunderschöne Fahrt durch die Berge ca. 2 Stunden.
Als wir um 19:00 am nördlichen Parkeingang ankommen und dort einfach am Visitor Center übernachten wollen, kommt ein Ranger vorbei und sagt uns, dass wir bis zum Rio Grande Village fahren müssen und erst dort übernachten können. Die Gebühr für den Park (US$ 20,- pro Fahrzeug pro Woche)
können wir auch morgen bezahlen. Begeistert sind wir nicht, denn aus dem Wind wird schon langsam ein Sturm. Er gibt uns eine Karte, erklärt uns den Weg und wir fahren weitere 80km (!) bis wir gegen 21:00 endlich am Camp Ground sind.
Der Wind ist mittlerweile so heftig, dass wir teilweise die ganze Straßenbreite benötigen, so sehr schiebt es uns hin und her. Von der Aussicht bekommen wir leider nichts mehr mit. Es ist absolut stockdunkel. Am Rio Grande Village lesen wir „Camp Ground links“ und „RV Full Hook-ups geradeaus“. Wir fahren erst mal zu den Full Hook-ups (Strom, Wasser, Abwasseranschluss direkt am Stellplatz) und stellen fest, dass es einfach nur ein hässlicher, betonierter Parkplatz mit Sardinen-Dosen-Feeling ist. Naja, er ist nicht schön, und Wasser haben wir noch genügend, Abwassertanks sind leer, aber zumindest haben wir Strom und können den Kühlschrank laufen lassen. Enida schnappt sich den Reiseführer und fragt mich plötzlich: „Willst Du wirklich hier bleiben?“ Ich schaue sie verwundert an und frage: „Wieso nicht?“ Der Ranger hatte uns gesagt, dass die Camp Grounds 14,-$ kosten. Und wenn ich schon dafür bezahlen muss, dann will ich auch wenigstens Strom haben. Meine Maus zeigt mir schwarz auf weiß, dass dieser hässliche, betonierte Sardinen-Stellplatz geschlagene 33,-$/ Nacht kosten soll. Ich schaue zweimal hin, starte den Motor und fahre 200m weiter zum Camp Ground. Aufgelockert Plätze mit ausreichend Abstand zum Nachbarn und schöne große Bäume. Gut, dass wir gewechselt haben.
Wir sind beide so platt, dass wir beschließen, nicht in Enidas Geburtstag hinein zu feiern. Wir fallen todmüde um 22:00 im Bett.
Am nächsten Morgen wache ich neben meiner Geburtstagsmausfrau auf…
Wir werfen einen Blick aus dem Fenster und sind beide überwältigt. Dass es hier schön sein soll war uns klar. Aber SO schön…? Wir können es kaum erwarten und schwingen uns ins Bad und anschließend in unsere Klamotten. Als wir aus dem Fred aussteigen stellen wir erfreut fest, wie leer der Camp Ground hier ist. Wir sind so froh, dass wir die Nacht noch um geparkt haben.
Die Tafelberge gehören schon jetzt zu unseren Lieblingsmotiven. Jetzt schmeißen wir erst mal wieder Freds Turbinen an und machen uns auf dem Weg zum Tunnel, eines der Erkennungszeichen vom Big Bend.
Der Big Bend ist bekannt für seine Backcountry Camp Sites. Hierbei handelt es sich um reine Stellplätze, in der Regel für eine Partei mit max. 6 Personen, ohne irgendwelche Versorgungseinrichtungen wie Duschen, Wasser, WC usw. Das Schöne an diesen Camp Sites ist: man ist alleine und kann ganz in Ruhe die Natur und die Stille genießen. Da es weit und breit kein künstliches Licht gibt, dürfen wir uns auf ein ganz besonderes Erlebnis freuen: An keinem anderen Ort in den USA kann man einen derart prachtvollen Sternenhimmel beobachten! Das einzige Problem für uns besteht darin, dass die Camp Sites nur über Dirt Roads, also Straßen für Fahrzeuge mit hohem Bodenabstand und idealerweise Allradantrieb. Beides haben wir leider nicht. Also fallen für uns locker 95% der im Hinterland gelegenen Camp Sites flach. Schade. Wir fahren ein Stück eine Dirt Road rein und schauen mal wie sich Fred macht. Nach 200m entscheiden wir uns, das Experiment zu beenden. Denn einen knapp 12m langen und 12to schweren Bus der sich festgefahren hat, freizuschleppen, ist sicherlich kein Vergnügen. Jetzt kommt verstärkt der Gedanke auf, dass wir uns evtl. noch mal ein anderes Wohnmobil zulegen? Mit einem Expeditions-Wohnmobil mit Allrad und viel Bodenfreiheit würden wir hier so ziemlich alle Strecken befahren können. Hmmm, ob das nur ein Hirngespinst ist oder ein stärkerer Gedanke wird sich in der Zukunft zeigen.
Die Landschaft ist so atemberaubend, dass wir schon wieder fast die Zeit vergessen. Wir wollen auf jeden Fall um 17:30 wieder zurück am Camp Ground sein, da dann ein Ranger-Programm stattfindet. Heute steht ein Abendspaziergang durch über den Nature-Trail mit Geschichten über Wölfe auf dem Programm. Also schnell zurück!
Wir sind insgesamt nur 7 Personen und Ranger Dustin bringt die Geschichten über die Wölfe im Allgemeinen und natürlich auch im Big Bend wunderbar und bildhaft rüber. Der ca. 1km lange Nature Trail mit einem Panoramablick auf den Rio Grande tut sein Übriges zu einer gelungenen, kleinen Geburtstagswanderung.
Auf diesem Weg - und laut Ranger auch fast allen grenznahen Wegen - sind solche „Verkaufsstände“ eingerichtet:
Er erklärt uns, dass diese Stände illegal sind und man gegen jede Menge Gesetze verstoßen würde, wenn man dort etwas kaufen würde. Diese Stände sind von Mexikanern eingerichtet, die die Grenze, also den Fluss Rio Grande, einfach zu Fuß überschreiten und ihre Ware dort anbieten. Die Stände sind natürlich nicht bemannt, die Ware „liegt einfach so in der Gegend rum“. Das Geld wird einfach in einen Behälter eingeworfen. Auf unserem Hinweg waren in einem Behälter ein paar Dollar. Obwohl wir, bis auf ca. 5 Minuten, die ganze Zeit den Stand sehen konnten, war auf dem Rückweg das Geld verschwunden. Der Ranger erklärte uns auch, dass es keinen Sinn macht, die illegalen Gegenstände einfach wegzuräumen, was der Grenzschutz und auch gelegentlich die Ranger machen, denn wenige Minuten später ist der Stand wieder aufgebaut. Das nennt man wohl „perfekte Logistik“ 😉
Nach der Wanderung gibt´s noch einen kleinen Happen zu Essen. Natürlich wird das Essen geburtstagsmäßig zubereitet.
Und hier noch der besondere Hinweis an Enidas Mama: Natürlich hat Deine Tochter mehr zu Essen bekommen als auf dem Teller zu sehen ist 😉
Und was wäre ein Geburtstag ohne Geburtstagskuchen?
Enida freut sich total über die vielen Geburtstagsgrüße von der Heimatfront und aus der Ganzen Welt:
Danach fallen wir wieder glücklich und zufrieden ins Bett. Jedoch nicht, ohne vorher noch einmal den Sternenhimmel zu bewundern. Wir können uns hier an nichts satt sehen. Weder am Tag, noch in der Nacht...
Jetzt freuen wir uns schon auf morgen, denn dann besorgen wir uns die Backcountry Erlaubnis, um einige Tage in der Wüste übernachten zu dürfen.
>>> So hat alles angefangen: 1 bis 2 Jahre Nordamerika – die Idee
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