Meine OP ist gerade mal ein paar Stunden her. Seit wir im Wohnmobil sind, liege ich mit einem Eisbeutel auf dem Mund im Bett und döse so ein wenig vor mich hin. Irgendwie bin ich doch ganz schön geschafft… Zum Glück habe ich keinerlei Schmerzen, was ich kaum glauben kann. Meiner Maus geht es wohl ähnlich. Sie fragt mich schon fast im Minutentakt, ob ich Schmerzen habe. Gegen 20:00Uhr wird es mir im Bett zu langweilig. Ich fühle mich gut, bin fit und möchte ein paar Minuten über den Karneval schlendern. Dank der tropischen Temperaturen bekommen wir alle paar Meter viel nackte Haut zu Gesicht. Und die kann sich auch sehr gut sehen lassen. Aus journalistischen Gründen dokumentiere ich das natürlich mit der Kamera 😉
Auf den ersten Metern fällt mir auf, dass hier Karusselle stehen, wie ich Sie aus frühester Kindheit noch kenne. Und das Besondere daran: Was in Deutschland vermutlich kaum ein Kind eines Blickes würdigen würde, sorgt hier für kindliche Begeisterung.
Da heute der erste Abend ist, sind einige Fahrgeschäfte leider noch nicht in Betrieb, so dass viele potentielle Kunden keine Möglichkeit haben, ihr Geld auszugeben. Hier könnte ich jetzt stundenlang über „verpasste Chancen“ oder die Einstellung zum eigenen Betrieb schreiben, aber das gehört hier nicht hin.
Weiter fallen uns die unzähligen Fressbuden auf. Das ist wohl überall auf der Welt gleich. Nur mit dem Unterschied, dass wir hier kaum etwas von den angebotenen Dingen zuordnen können. 😉
Was ich jedoch etwas befremdlich finde, ist die folgende „Kinder-Attraktion“. Das erschreckende daran: die Nachfrage nach exakt diesem Gefährt ist groß und ich muss echt lange warten um dieses Foto schießen zu können.
Ein paar Meter weiter kommen wir uns vor wie auf dem Hamburger Fischmarkt. Nur dass hier keine Fische, sondern Handtücher verkauft werden. Der Marktschreier macht aber einen genialen Job. Wir verstehen zwar kein Wort, aber es macht Spaß ihm zu zuschauen und die Leute zu beobachten. Denn wer JETZT zuschlägt, der bekommt noch ein Geschirrhandtuch gratis dazu. Nebenbei natürlich noch 2 selbstputzende Reinigungstücher und ein Badehandtuch für die ganze Familie – und wenn Sie JETZT KAUFEN, dann besprechen wir das Badetuch noch mit einem Zauber, damit sie es auch als fliegenden Teppich benutzen können. Zumindest so ähnliche Versprechungen muss er gemacht haben, denn die Leute sind begeistert und reißen ihm das Zeug aus den Händen. Ein genialer Verkäufer 😉
Ein wenig die Straße weiter runter, kommen wir an er ersten Bühne vorbei. Hier rockt eine mexikanische Band. So originell, wie man es aus diversen Western kennt. Und die Leute gehen dazu richtig ab. Und ich dachte immer, diese Musik würde nur für Touristen gemacht werden, um diese zu bespaßen 😉
Da uns diese Art der Musik aber nicht ganz liegt, zieht es uns schnell weiter. Nun scheinen wir an der Hauptbühne angekommen zu sein. Insgesamt gibt es 5 Bühnen mit völlig unterschiedlichen Bands. Von mexikanischer Folklore bis hin zu Heavy Metall (was besonders lustig aussieht, wenn ein Mexikaner in traditioneller mexikanischer Bekleidung plötzlich anfängt zu Heavy Metall abzurocken.)
Hinter uns hören wir auf einmal das Gekreische von etlichen Mädels. Wir schauen in die Richtung wo das hysterische Gekreische herkommt und plötzlich entdecken wir irgendwelche Glitzergestalten. Die Männer in den Wunderkerzenkostümen kommen mit Polizei-(!)Eskorte in unsere Richtung. Die armen Polizisten haben echt alle Mühe, die Mädels von den Jungs fernzuhalten. Wow. Was für ein Anblick. Und wir mittendrin. Die Glitzer-Figuren ziehen schnurstracks an uns vorbei und verschwinden hinter der Bühne. Oha. Hier scheint gleich was Interessantes zu passieren. Auf unsere Nachfrage erfahren wir, dass hier gleich die Karnevalsprinzen gekrönt werden. So ein Gekreische für Karnevalsprinzen? Hmm, na gut. Die haben hier anscheinend den Rang eines Rockstars. Das Spektakel wollen wir uns natürlich anschauen. Zu meiner Freude gibt es auch Karnevals-Prinzessinnen. Zu meinem Leid muss ich feststellen, dass die Prinzessinnen nur eine absolute Nebenrolle spielen und auch die Kostüme, im Vergleich zu den männlichen Komparsen, völlig unscheinbar sind.
Ein ganz besonderes Kostüm eines Prinzen hat es mir jedoch angetan. Nicht dass ich es toll finde, aber mir sind bei diesem Anblick etliche Spitznamen eingefallen. Ich lasse Euch aber selber raten, welchen Prinzen ich meine 😉
Als die Krönungen vorbei (und meine Ohren taub von den kreischenden Gören sind ;)) wird ein Theaterstück aufgeführt. Hierbei stellen die verschiedenen Darsteller „Mutter Erde“, die Sonne, den Winter und den Sturm/ Hurrikan dar. Es ist, wie uns übersetzt wird, ein lustiges aber doch kritisches Spiel darüber, wie wir Menschen mit der Erde umgehen – und hierin sind die Mexikaner leider kein gutes Beispiel, denn Umweltschutz scheint für viele von ihnen ein Fremdwort zu sein. Viel zu oft mussten wir leider beobachten, dass Müll, gleich welcher Art, während der Autofahrt aus dem offenen Fenster entsorgt wird.
Die Krönungszeremonie und das Theaterstück dürfen wir ganz exklusiv aus dem abgesperrten VIP Bereich betrachten. Warum wir das dürfen, verraten wir in unserem Urlaubs-Schnäppchen-Report. Der Zutritt wird hier sogar von der Polizei überwacht!
Es ist mittlerweile 23:00 Uhr. Meine Mausfrau fragt mich jetzt nur noch im 30- Minuten-Rhythmus, ob ich Schmerzen habe. Denn schließlich ist meine Operation ja erst ein paar Stunden her. Ich kann es zwar selber kaum fassen, aber alles ist gut und ich bin völlig schmerzfrei 🙂
Nachdem das Theaterstück vorbei ist, verschiebt sich die Menschenmenge ein Stück und wir ahnen, dass hier gleich wieder irgendwas passieren wird. Mittlerweile ist der Platz auch deutlich von Sicherheitskräften durchmischt. Jede Menge Polizei und sogar das Militär steht auf dem ganzen Platz verteilt. Wenn ich mir die Jungs so anschaue, habe ich echt das Gefühl, dass hier keine Feier stattfindet, sondern dass die sich im Krieg befinden. Denn sowohl die Polizei wie auch das Militär ist aufgerüstet mit schussfesten Westen, vollautomatischen Waffen (Maschinengewehren/ -Pistolen), Schutzhelmen und Körperpanzerung. Ein sehr bizarrer Anblick – insbesondere während eines Volksfestes.
Die Menschenmenge sammelt sich um ein komisches Gebilde, was aussieht wie eine Requisite aus „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“. Hmmm, kennt das eigentlich noch jemand außer mir? Ich kann mich nur dran erinnern, dass ich das immer gerne geschaut habe 😉
Die Sicherheitskräfte, in dem Fall die Feuerwehr, räumt einen großen Platz um diese „Fliegende Untertasse“. Als alle weit genug weg sind, geht ein Feuerwerker hin und zündet mit seiner Zigarette die Zündschnur an. Als sie anfängt zu brennen, geht er ganz lässig zurück.
Jetzt beginnt ein lustiges kleines Feuerwerk mit ganz netten Effekten.
Ich versuche die Atmosphäre so gut es geht mit unserer EOS 60 einzufangen, was bei dem Licht gar nicht so einfach ist.
Gerade knie ich mich hin, um meine Perspektive zu wechseln. Ich drücke den Auslöser unserer Spiegelreflex und habe das Gefühl, ich hätte genau in diesem Sekundenbruchteil eine Bombe gezündet. Ein Ohrenbetäubender Knall und ein greller Lichtblitz lassen mich zusammenzucken und für einen Moment nichts hören – außer Piepsen. Wow, was war das?! Erst jetzt realisiere ich, dass dies weder eine Handgranate, noch ein sonstiger Sprengkörper war, sondern lediglich „nur“ das „Fliewatüüt“. Ob diese Sprengladung in diesen Ausmaßen wirklich so gewollt war? Ehrlich gesagt fand ich die Lautstärke mehr als Grenzwertig. Trotz allem war der Effekt einfach nur geil und das Foto der Hammer. Wenn ich es geplant hätte, hätte es nie in diesem Moment geklappt 😉
Mit dieser Explosion stürzt das Fliewatüüt auch ab und wird am Boden gleich von einem Feuerwehrler gelöscht.
Nach diesem Spektakel machen wir uns langsam wieder auf den Weg Richtung Wohnmobil. Wir sind müde und wollen nur noch ins Bett. Dass wir in dieser Nacht keine Minute schlafen werden, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht…
Unterwegs werden wir Zeuge eines anderen Spektakels und können gar nicht anders, als stehen zu bleiben und fasziniert zu beobachten, was dieser Künstler mit ein paar Spraydosen vor unseren Augen zaubert:
Jetzt machen wir uns aber echt auf den Rückweg und kommen dabei an einigen Einsatzkräften vorbei. Hier kann ich es mir nicht verkneifen und will ein Foto von einem Polizeiwagen der Bundespolizei machen. Er schaut einfach nur geil aus 😉 Natürlich frage ich artig und bekomme auch die Erlaubnis. Und extra für uns wird auch die Touristenbeleuchtung eingeschaltet.
Was für ein Abend! Karneval einmal anders. Und heute ist gerade mal der erste Tag. Wir sind gespannt, was wir die nächsten Tage noch erleben werden. Auf jeden Fall werden wir den Karneval hier noch weiter genießen. In den nächsten Tagen soll nämlich auch ein richtiger Umzug sein, wie wir ihn auch aus Deutschland kennen. Nur mit dem Unterschied, dass wir keine Minusgrade haben werden, sondern sonnige 25 bis 30°C. Und das den ganzen Winter über... Einfach nur herrlich 😉
Wir sind noch im Glauben, dass es im nächsten Blogbeitrag um Sommer, Sonne, Sonnenschein und vieeel nackte Haut gehen wird. Nicht wissend, dass wir in den nächsten Tagen sogar zweimal von Kriminellen ins Ziel genommen werden. Und leider wird auch der Schaden nicht unerheblich sein…
>>> So hat alles angefangen: 1 bis 2 Jahre Nordamerika – die Idee
Hier geht es zum vorherigen Beitrag: Blutiges Erwachen - Aufgeschlitzt und zugenäht
Hier geht es zum nächsten Beitrag: Gerammt und beklaut – eine Horrornacht
Das mit der Explosion ist ja (Achtung, Wortspiel) der Knaller... 🙂
An dieser Stelle mal ein Lob und ein Danke für die vielen tollen Berichte hier. Ich schaue immer mal gerne rein, komme nur oft nicht zum kommentieren. Aber es macht richtig Spaß eure tollen, humorvollen Texte zu lesen und euch ein wenig auf eurer schönen Reise zu begleiten.
LG Thomas
Hallo Thomas,
danke für Deinen Kommentar und das Lob. Ich mag Wortspiele auch 😉
Freut uns sehr, dass wir Dich mit unseren Berichten ein wenig aus Deinem Alltag entführen können 🙂
Sonnige Grüße aus Mexiko,
Tom
Hammer Bilder...sabber 🙂
Hi Sören,
danke für Deinen Kommentar und das Lob. Man tut was man kann... auch bei der Motivauswahl 😉
Sonnige Grüße aus Mexiko,
Tom
Hola Queridos, das war ja mal wieder spannend mit euch und hat mich persönlich ganz besonders interessiert. Die Vergangenheit holt einen eben so manches Mal wieder ein. Ich muss mich wohl neu eintragen, denn ich bekomme nur über Facebook mit, wenn's bei euch was Neues gibt ... Alles Liebe für euch beide!
Hallo Christian,
danke für Deinen Kommentar. Wenn Du Dich noch nciht eingetragen hast, dann aber gaaaanz schnell.
Alles Liebe nach Ägypten!
Tom 🙂