Da es schon dunkel ist und wir bis Sierra Vista noch ca. 4 Stunden benötigen würden, ist unser nächster Zwischenstopp die sehr mexikanisch angehauchte Stadt Las Cruces.
Wir übernachten mal wieder an einem bewachten Walmart Parkplatz und meine Maus hat zwischenzeitlich herausgefunden, dass es in Las Cruces wohl 3 Frisöre geben soll, die das richtige Rot zum Färben verwenden. Somit weiß ich jetzt schon, was morgen auf dem Programm stehen wird 😉
Am nächsten Morgen fahren wir die 3 Frisöre ab, die glücklicherweise alle im Umkreis von ca. 10km liegen. Somit ist das schnell erledigt und Enida macht bei einem gleich einen Termin für den Nachmittag aus. Anschließend fragen wir uns nach einer TV-Werkstatt durch und bekommen auch verschiedene Tipps, wo wir schauen könnten.
Las Cruces, die Stadt der Kreuze, ist vermutlich nicht zuletzt durch die Nähe zu El Paso sehr mexikanisch geprägt. Von vielen Erzählungen mit amerikanischen Bekanntschaften auf den Campingplätzen wurden wir schon unzählige Male vor der Region um El Paso gewarnt. Drogenhandel, Prostitution und Gewaltdelikte seien hier an der Tagesordnung. Verübt zum Großteil von mexikanisch stammenden Bürgern. Wie oft wir solche Warnungen bekommen haben? Ich könnte es nicht aufzählen, so oft war das. Bisher haben wir diese Warnungen eher belächelt…
Als wir endlich eine TV Werkstatt ausfindig gemacht haben, begeben wir uns gleich auf dem Weg dahin. Zum Glück sind wir mit dem Motorrad unterwegs, denn die Straßen werden immer schmaler und die Bebauung immer enger. Und dann stehen wir vor der Werkstatt. Optisch schaut der „Laden“ nicht wirklich einladend aus. Dick vergitterte Fenster und eine sehr stabile Eingangstür ohne Öffnungszeiten usw. tun ihr Übriges dazu.
Wir klopfen brav an und öffnen vorsichtig die Türe, da wir nicht wirklich sicher sind, ob das der offizielle Eingang ist. Als wir reinkommen schauen uns 4 mexikanische Augenpaare erstaunt an. Mustern uns von unten bis oben und verschwinden - irgend etwas Spanisch sagend - im Hinterzimmer. Enida und ich schauen uns fragend an. Ca. 30 Sekunden später kommt ein Mittdreißiger aus dem Hinterraum zu uns und fragt in sehr gutem Englisch, was er für uns tun kann. Wir erklären ihm das Problem mit dem Rückfahrmonitor und er bittet uns, mit nach hinten zu kommen, warnt uns aber schon vor, dass er zeitlich sehr eingebunden sei und wir hoffentlich ein paar Wochen (!) Zeit hätten. Wir lassen den Hinweis kommentarlos im Raum stehen… Er erklärt dem Mechaniker auf Spanisch unser Problem. Ein paar Brocken schnappen wir auf.
Die wichtigsten Worte davon sind "Gringo" und "la televisión". Als wir das hören, unterbrechen wir gleich. „No Gringo! Somos de Alemania.“ (Nein, keine Amerikaner! Wir sind aus Deutschland.“) Der Techniker schaut uns an. Grinst und sagt: „Muller. Gooood.“ Er sieht, dass wir mit dieser knappen, kurzen Ausführung nicht viel anfangen können und er wiederholt seine Worte: „Muller. Muy bien. Worldcup. Klose también muy bien!“ Wir freuen uns innerlich, denn die komplette Stimmung hat sich plötzlich um 180° gedreht. Dass Mexikaner Fußball-verrückt sind, ist ja allseits bekannt. Aber dass alleine die deutsche Herkunft zu so einem Stimmungswechsel führt… Ein Dank an die deutsche Fußball National-Mannschaft 😉
Als wir erklären, dass wir nur auf der Durchreise und auf dem Weg nach Mexiko sind, war das Eis völlig geschmolzen. Aus dem „hoffentlich haben Sie ein paar Wochen Zeit“ wurde die Frage „bis wann wir es brauchen“. Wir schauen ihn an uns sagen vorsichtig, eher fragend: „Manana?“ Er lächelt und sagt uns, dass er sein Bestes geben wird, aber nicht versprechen kann dass er morgen schon fertig ist. Das hänge davon ab, welches Teil kaputt ist und ob er es bestellen muss. Wir verabreden uns für 11:00 am Folgetag.
Es ist 17:30Uhr und der große Moment ist gekommen. Der Frisörtermin bei „Wild Fire“ steht und ich setze meine Maus mit dem Motorrad ab. In 2 Stunden soll ich wieder kommen. Was ich dann zu sehen bekomme, kann sich wirklich sehen lassen. Der „Meister“ hat ganze Arbeit geleistet:
Giovanni ist selber von seiner Arbeit so begeistert, dass er sich gar nicht mehr einkriegt und auch erst mal einige Fotos macht, die er direkt auf seiner Facebook-Seite postet:
Als er erfährt, dass wir jetzt für einige Monate nach Mexiko fahren ist er noch begeisterter, denn dort kommt er her. Spontan erklärt er mir, wie ich Enidas Haare nachfärben muss, worauf zu achten ist und gibt mir einen Crashkurs in "Haare färben für Glatzköpfe". Herrje, aber was tut man nicht alles für seine Herzdame. Wie sagen die Amerikaner so schön: „Happy wife. Happy life.“ (Glückliche Ehefrau. Glückliches Leben.) Wie wahr… 😉
Zum Abschied schenkt er uns noch einige Produkte von Enidas Farb-Hersteller mit dem Kommentar, dass wir das unbedingt brauchen, denn sonst sähe das bei dem Salzwasser ja grauenhaft aus, und das gehe ja nun mal gar nicht. Die Art wie er das sagt - im Zusammenhang mit seiner Gestik - entspricht völlig dem Klischee eines männlichen Hairstylisten 😉
Fazit: der Frisörtermin war ein voller Erfolg und Giovanni nicht nur ein klasse Frisör, sondern auch ein supernetter Mensch und toller Gesprächspartner mit großem Herz.
Am nächsten Morgen mache ich mich auf den Weg zur Werkstatt, um den Monitor abzuholen. Im Gepäck habe ich noch einen USB- Stick mit den Arbeitsblättern von unserem Spanisch-Lehrer Klaus, die ich noch ausgedruckt benötige.
Miguel begrüßt mich gleich mit den Worten, er habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die Gute sei, er habe den Fehler gefunden und das Ersatzteil kostet zwischen 2,- und 5,- US$. Die schlechte Nachricht, er müsse es bestellen und das dauert ca. 5 – 7 Tage. Mist. So lange will ich nicht warten. Er erwidert aber gleich, dass es kein Problem ist. Denn wenn wir eh nach Mexiko fahren, würden wir es dort ohne Probleme bekommen und vermutlich noch günstiger. Er schreibt uns exakt die spanische Bezeichnung des Bauteils auf. Wunderbar. Dann lassen wir es eben in Mexiko reparieren 😉
Als ich ihn frage, ob wir unsere Spanisch-Lektionen bei ihm ausdrucken können, entschuldigt er sich, dass sein Drucker kaputt ist und beschreibt mir den Weg zu einer Autowerkstatt. Dort soll ich hinfahren, Liz Grüße von ihm bestellen und dort könnte ich es garantiert drucken. Er würde sie sofort anrufen und informieren. Als er mir den Weg erklärt, fragt er mich, ob ich noch 2 Minuten warten könnte. Er müsste noch schnell einen Fernseher einladen und würde eben vorfahren. Wie geil ist das denn? Eskorte zum Drucken. Cool.
Nach 5 Minuten sind wir dort. Auf gebrochenem Spanisch bekomme ich noch zusammen: „Soy de Alemania. Quiero aprender espanol.“ (Ich bin aus Deutschland und ich möchte Spanisch lernen.“) Den Rest erkläre ich auf Englisch. Auch hier ist das Eis sofort geschmolzen und selbstverständlich wird mir das 30 Seiten lange Skript ausgedruckt. Natürlich kostenlos. Ehrensache.
Fazit:
Was wurden uns für Horror Geschichten über die Mexikaner erzählt. Die Krönung war, als uns einer sagte, er würde uns keine 50 Meilen auf mexikanischem Gebiet geben, dann würden wir mit diesem Wohnmobil an einer Straßensperre schon überfallen, ausgeraubt und das Wohnmobil geklaut werden. Wir sollen uns aber bloß nicht wehren, denn dann würden wir vermutlich überleben. Gut. Dieses Gespräch wurde auch mit den Worten: „So, so. Danke“ beendet.
Diese erste Begegnung war genauso, wie wir es von unseren bisherigen Reisen durch die Welt kennen. Wenn man jedem Menschen so begegnet, wie man selbst behandelt werden will und sich dann noch die Mühe macht, wenigstens ein paar Sätze (oder Satzteile) in der Landessprache zu sprechen, stößt man zu 99% nur auf nette und
freundliche Menschen. Das hier Erlebte deckt sich in keinster Weise mit den wilden (in meinen Augen frei erfundenen) Geschichten von der wilden, mordenden Meute die nur auf Ausländer warten, um diese am lebendigen Leibe in den Kochtopf zu werfen und zu verspeisen.
Wir freuen uns immer mehr auf Mexiko. Darauf, das Land und vor allen Dingen die Leute dort kennen zu lernen. Jetzt heißt es aber
erstmal: "Adios Amigos!", denn für uns geht`s weiter nach Sierra Vista - mit Zwischenübernachtung in Deming, da wir mal wieder viel zu spät weggekommen sind 😉
>>> So hat alles angefangen: 1 bis 2 Jahre Nordamerika – die Idee
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