Kennst Du dieses aufregende Gefühl, welches Dich durchströmt, wenn Du gerade dabei bist, Deine Komfortzone zu verlassen? Der Puls rast, man spürt den eigenen Herzschlag bis zum Hals, Hitze- und Kältewallungen wechseln sich ab? So ging es uns heute… Wir haben vorhin den „point of no return“ überschritten und sind jetzt so aufgedreht, dass wir wie aufgezogene Duracell-Hasen durch die Gegend laufen. Angst und Glücksgefühle wechseln sich ab, was wohl ganz normal ist, wenn man vor so einer großen Veränderung in seinem Lebe steht. Was ist passiert?
Seit vielen Jahren träumen wir davon, unsere Freiheit ganz intensiv zu leben. Für uns bedeutet das konkret, nicht nur jederzeit und uneingeschränkt das tun zu können, was wir wollen, sondern auch nicht das tun zu müssen, was andere wollen. Dauerhaft reisen und fremde Länder kennenlernen. Leben und arbeiten, so wie wir gerade Lust haben. Und immer, wenn wir das Lied „kein Zurück“ von Wolfsheim gehört haben und daraus die Passage „Irgendwann ist auch ein Traum zu lange her…“ kam eine schmerzhafte Sehnsucht in uns auf. „Stimmt, da war doch noch was…“ Aber, irgendwie war nie der richtige Zeitpunkt da. Ausreden waren da schnell gefunden, das Gehirn will ja seinen Job machen und unser Überleben sichern. Und so, wie es bisher war, hat es ja prima funktioniert, warum also etwas daran ändern? Kennt Ihr das? Wenn man einen brennenden Wunsch nach etwas verspürt, aber die „Vernunft“ siegt, weil man so eine Angst vor Veränderungen hat? Es ist uns wahnsinnig schwer gefallen, die endgültige Entscheidung zu treffen. Und weil wir es ewig vor uns hergeschoben haben, hat das Universum nachgeholfen.
Wir sind nach 13 Jahren aus unserem Haus ausgezogen, weil wir mehr Ruhe haben wollten. In der Überzeugung, unser Traumhaus gefunden zu haben, sind wir voller Vorfreude auf die bevorstehende Ruhe weiter aufs Land gezogen. Die Ruhe hielt leider nicht lange an. Direkt neben unserem Haus ist eine Produktionshalle, in der – was uns Makler und Vermieter leider verschwiegen haben- Tag und Nacht CNC-Fräsen laufen. Wer schon mal auf einem Zahnarztstuhl lag, kann sich ungefähr vorstellen, wie es um unsere Nachtruhe bestellt war. In der ersten Nacht standen wir senkrecht im Bett, als dieses furchtbare Geräusch losging. An Schlaf war nichts mehr zu denken, trotz Ohropax und „Micky-Maus“ als zusätzlichen Gehörschutz darüber. Diese hohen Töne gingen durch Mark und Bein und jeglichen Gehörschutz durch. Einige Tränen und schlaflose Nächte später fassten wir einen Entschluss. Frei nach dem Motto: „love it, change it or leave it”. Wir liebten dieses Haus, es war perfekt für uns: frei stehend, nur Wälder und Wiesen drum herum – genau so, wie wir es haben wollten. Bis auf diese Fräsen, die uns den letzten Nerv raubten. Wir konnten daran nichts ändern, streiten wollten wir mit dem Vermieter auch nicht (er hat sich mit dem Makler verschworen und beide behaupten, uns bei der Besichtigung auf die Maschinengeräusche hingewiesen zu haben, was so leider nicht stimmte- wir hätten das Haus unter den Umständen niemals angemietet). However – wir mussten eine Entscheidung treffen. Der erste Impuls war, ein neues Haus zu suchen. Diesmal sollte alles perfekt sein. Aber, was wird dann aus unserem Traum mit der großen Reise? Starten wollten wir für mindestens ein Jahr USA, dort haben wir schon viele schöne Urlaube verbracht, feierten 2001 unsere Traumhochzeit im Grand Canyon, besuchten die schönsten Parks, klapperten sowohl Ost- als auch Westküste ab.
Jetzt wollten wir das Land noch intensiver erkunden. Würden wir unseren Hintern tatsächlich noch mal hoch bekommen und die Reise durchziehen, wenn wir jetzt das perfekte Haus in Deutschland finden würden? Wahrscheinlich nicht, denn das würden wir dann ja nicht mehr aufgeben wollen. Wollte das Universum uns jetzt den letzten Schubser geben? Jetzt war die perfekte Gelegenheit da, worauf also warteten wir noch? Sofort türmten sich vor unserem geistigen Auge alle möglichen Probleme auf, die dabei auftreten könnten. Die Reise selber würden wir ja sofort machen, aber die Vorbereitungen erschienen uns als unüberwindbare Hürde. Was machen wir mit unserem Hausstand? Alles verkaufen? Einlagern? Wie ist es mit der Krankenversicherung? Was machen wir mit unserer Outdoor-Firma, wer führt die Touren, wem können wir die Ausrüstung anvertrauen? Was passiert mit dem Fuhrpark? Mit den Handy- und anderen Verträgen? Was passiert mit unserer Post? Bekommen wir problemlos ein Jahres-Visum für die USA? Woher bekommen wir das Wohnmobil für die Reise? Das waren nur einige der Fragen, die unser Mindfrick sofort als Barriere vor uns aufbaute.
Wir hatten beim Umzug im November schon kräftig ausgemistet, hatten dabei knapp 200 (!) kg „Trödel" in die Müllverbrennungsanlage gebracht.
Dazu kamen fast 50 Kartons „Flohmarktkram“ zusammen. Würden wir das verkauft bekommen? Und die Möbel? Sollen wir einen Hausflohmarkt machen? Alleine diese Hürde schien uns unüberwindbar und wir waren kurz davor, die Reise mal wieder auf später zu verschieben. Wir schauten uns wieder Häuser in Deutschland an, es waren auch ein paar sehr schöne dabei, aber irgendwas hielt uns davon ab, einen neuen Mietvertrag zu unterschreiben.
Wir haben oft bis tief in die Nacht diskutiert, Vor- und Nachteile nach alter Offiziermanier gegeneinander abgewogen (Tom war ja nicht umsonst 10 Jahre bei der Bundeswehr), alle Möglichkeiten durchgespielt und uns immer wieder umentschieden. Bis wir irgendwann gemerkt haben, dass wir jetzt eine Entscheidung treffen müssen – so konnte es nicht weitergehen. Eine Entscheidung treffen heißt aber auch, dazu zu stehen und das umzusetzen, was man sich vorgenommen hat. Wir mussten ins TUN kommen.
Die Gelegenheit dazu bot sich sehr schnell…
Silvester. Wir beobachten unser Traum-Wohnmobil schon lange. Der Großhändler hat es auf ebay eingesetzt und die Auktion läuft Silvester aus. Ich weiß nicht, wie oft wir mit dem Händler telefoniert haben, Stunden vor dem Auslaufen der Auktion hatten wir eine Standleitung in die USA. Wir haben nach dem Haken gesucht, konnten jedoch keinen finden. Die Jungs waren sogar so nett und haben uns angeboten, das Wohnmobil bis April (unser geplanter Reisestart) bei sich stehen zu lassen und es dann für uns anzumelden. Trotz aller Aufregung mischte sich immer wieder Angst mit dazu. Was ist, wenn er das Wohnmobil in der Zwischenzeit weiter verkauft? Oder sonst was damit macht? Wenn wir es einmal komplett bezahlt haben, haben wir es nicht mehr in der Hand. Andererseits, warum sollte ein Großhändler, der über 2000 positive Bewertungen hat, so etwas nötig haben? Und so blöd es klingt- wir glauben an so etwas wie Karma. Und davon haben wir – glaube ich zumindest – ein bisschen was ansammeln können. Also wird auch hier alles gut gehen. 🙂
Das Ende der Auktion rückt näher und wir merken, wie das Adrenalin im Blut steigt. Uns wird bewusst, dass – wenn wir das Wohnmobil jetzt kaufen - das der „Point of no return“ ist. Es geht um viel Geld, da ist immer ein bisschen Angst mit dabei. Wir werden es machen wie immer – uns auf einen Betrag einigen und dann 10 Sekunden vor Auktionsende reinbieten. Die Aufregung steigt immer weiter, die Hände werden feucht, das Herz pocht immer schneller. Grundgütiger! Was machen wir hier??? Ich muss kurz aufstehen und vor die Tür gehen. Mich erden. Es fühlt sich gut an, als ich spüre, wie die eiskalte Luft durch meine Nasenflügel strömt. Ich Atme ein paar Mal tief ein und aus, um etwas ruhiger zu werden. Mich schüttelt´s. Ich weiß in dem Moment gar nicht, ob es von der Kälte oder der Aufregung kommt… Nach ein paar Minuten gehe ich wieder rein und setze mich vor den Rechner. Tom sitzt mir gegenüber. Er ist mindestens so aufgeregt wie ich. Nervös tippt er auf seiner Tastatur rum, als er aufschaut, treffen sich unsere Blicke. Wir lächeln uns an und in diesem Moment spüre ich wilde Entschlossenheit. Ich will dieses Wohnmobil haben! Wir haben uns so viele angeschaut, aber das war das schönste und das einzige mit kompletter Lederausstattung (ich mag keine Stoffsitze). Und irgendwie sahen wir mit unserem geistigen Auge schon, wie wir drin sitzen, gemütlich auf dem Highway No1 cruisen während Johnny Cash aus den Lautsprechern schallt…
Nur noch 20 Sekunden… Tom hat den Betrag schon eingegeben (und ich auch, als Backup, falls sein Rechner sich aufhängt). Die Anspannung ist schon fast körperlich zu spüren. 10 Sekunden… Jetzt drückt er auf „Bieten“ (später verrät er mir, dass das der Moment war, wo er noch mal einen richtigen Adrenalinschub gespürt hat). „Gebot bestätigen“. Mir wird ganz schlecht. Es waren einige Bieter mit im Rennen, hat uns jemand in letzter Sekunde vielleicht doch noch überboten? „Auktion beendet“. „Herzlichen Glückwunsch! Sie sind Höchstbietender“ AAAAAAAAAHHHH! Wir haben ihn!!!!!!!!!! Was für ein Gefühlschaos! Wir hüpfen vor Freude wie kleine Kinder und können es kaum glauben! Wir haben soeben ein 34ft (10,36 Meter) Wohnmobil gekauft!!! Jetzt gibt es kein Zurück mehr! Das Abenteuer kann losgehen! So sieht unser künftiges Zuhause aus:
So ist also aus dem anfänglichen Ärger über unsere Fräsen-
Freundinnen (so nennen wir sie mittlerweile) die Erfüllung eines großen Traumes geworden. Alles was passiert, hat seinen Sinn. Man muss nur genau hinschauen, um herauszufinden, was das Universum uns damit sagen will. Am Ende wird alles gut. Und wenn nicht – dann ist es nicht das Ende.
Aber vor der Reise haben wir noch einen ganzen Berg Arbeit vor uns. Auf unserem Projektplan stehen über 40 „To-Dos“. Und das sollen wir alles in 3 Monaten erledigt haben? Grundgütiger! Jetzt weiß ich auf einmal wieder, warum wir die Reise bisher immer wieder „auf später“ geschoben haben. Am Anfang erscheint es wirklich wie ein unüberwindbarer Berg. Aber, jede Reise beginnt ja bekanntlich mit dem ersten Schritt. Und wenn nicht jetzt, wann dann?
... „Denn irgendwann ist auch ein Traum zu lange her…“ (Wolfsheim)
Hier geht es weiter: Vorbereitung Nachtflohmarkt
Herzlichen Glückwunsch. Im 2010 haben wir eine 2 jährige Weltreise begonnen und waren fast 1 1/2 Jahre in Nordamerika... werde Euren Blog gern verfolgen... liebe Grüsse Gerold
Hallo Gerold
danke für Deinen Kommentar. Und natürlich auch für die Wünsche.
Ja, ein Reise ist was wunderbares. Inbesondere wenn der Weg das Ziel ist.
Sonnige Grüße aus MExiko
Enida & Tom